In diesem Artikel erfährst du, welche Pferde anfälliger für fütterungsbedingte Schlundverstopfungen sind, und was du tun kannst, um dieses Risiko zu vermeiden.
Du kennst das doch? Dein Pferd erkrankt immer am ungünstigsten Zeitpunkt. Genau so erging es uns vorletztes Wochenende. Unsere Stute bekam wie aus dem Nichts eine Schlundverstopfung. Und das gleich zwei Tage hintereinander.
Beide Male löste sie sich von selbst während wir auf den Tierarzt warteten, aber uns war es ein Rätsel, wieso sie überhaupt eine bekam.
Die Stute steht im Offenstall und hatte 24 Stunden Zugang zu Gras und mehrmals am Tag zu Heu. Beides also keine „klassischen“ Futtermittel, die eine Schlundverstopfung verursachen und die Zähne werden regelmäßig von einem Fachtierarzt kontrolliert. Wie konnte sie dann überhaupt eine Schlundverstopfung bekommen?
Dies veranlasste uns dazu, mehr über dieses Thema zu recherchieren. Dabei sind wir auf einen äußerst informativen Artikel von Kristen M. Janicki, MS, PAS, Fütterungsexpertin aus Chicago gestoßen. Hier fassen wir die wichtigsten Punkte zusammen und es gibt auch Tipps, wie man Schlundverstopfungen vermeiden kann und wie man Pferde nach einer Schlundverstopfung am besten füttert.
Was ist überhaupt eine Schlundverstopfung?
Eine Schlundverstopfung tritt auf, wenn Fremdkörper die Speiseröhre teilweise oder komplett verstopfen. Die Schlundverstopfung ist vielleicht nicht sofort lebensbedrohlich, das Pferd kann ja noch immer atmen, sie verursacht jedoch eine Menge Stress. Es wird für das Pferd unmöglich, zu fressen und zu trinken.
Der Tierarzt sollte sofort verständigt werden und das Pferd muss eventuell mit Antibiotika gegen Aspirationspneumonie (diese kann tödlich sein) behandelt werden. Bei der Aspirationspneumonie handelt es sich um eine Lungenentzündung, die dadurch verursacht wird, dass Futterpartikel bei einer Schlundverstopfung in die Lunge gelangen.
Ursachen einer Schlundverstopfung
Im Allgemeinen treten Schlundverstopfungen bei Pferden und Ponys auf, die Futter (Rau- oder Kraftfutter) zu sich nehmen, ohne dabei ordnungsgemäß zu kauen.
Laut einem Artikel im Journal of Veterinary Internal Medicine, aus dem Jahr 2010 werden u. a. folgende Ursachen für eine Schlundverstopfung angegeben:
Andere berichtete Ursachen sind u. a. der Verzehr von Rau- oder Kraftfutter, wenn das Pferd sediert ist oder wenn es zu wenig Wasser trinkt.
Beleuchten wir die Ursachen, die zu Schlundverstopfungen führen etwas genauer.
Futter
Welche Merkmale weist Futter auf, das zu Schlundverstopfungen führt? Im Prinzip geht es um jedes größere Futtermittel, das als Ganzes verschluckt wird. Die wären z. B. Äpfel, Möhren oder Pellets. Auch z. B, Rübenschnitzel und Heucobs die nicht lange genug eingeweicht wurden, können eine Schlundverstopfung verursachen. Diese können sich leicht in der Speiseröhre verklemmen und dort stecken bleiben.
Fressverhalten
In dem originalen Artikel wurde ein fünfjähriges Warmblut aus Australien erwähnt, das aufgrund einer Schlundverstopfung in die Klinik musste. Als Ursache stellte sich heraus, dass es eine große Menge an Pellets zu schnell fraß.
Laut den Wissenschaftlern war und ist jedoch diese Art des Futters nicht unbedingt direkt dafür verantwortlich – es ist eher ein aggressives Fressverhalten, wie ein „Hinunterschlingen“. Bei diesem Verhalten kann jedes Futter zu einer Schlundverstopfung führen.
Wenn das Pferd schnell große Mengen an Pellets, Heu oder anderen Futtermitteln frisst, ohne diese gut zu zerkauen, kann zu wenig Speichel produziert werden, um das Futter auf seiner Reise zum Magen ausreichend zu „schmieren“. Dadurch endet die Reise in der Speiseröhre und führt zu einer Schlundverstopfung.
Es wurde festgestellt, dass bei Fütterung größerer Herden von Pferden dieses aggressive Fressverhalten vermehrt auftritt.
Zähne
Egal ob es sich um ein Jungpferd im Zahnwechsel oder ein älteres Pferd handelt, dem vielleicht einige Backenzähne fehlen – ein schlechter oder abnormaler Zustand der Zähne führt zu einem schlechteren Zerkleinern des Futters. Wenn also ein junges Pferd schnell eine große Menge Pellets oder ein älteres Pferd trockenes, „holziges“ Heu frisst, steigt das Risiko auf eine Schlundverstopfung.
Vor allem bei älteren Pferden scheint dies ein großes Problem zu sein. Schätzungen zufolge leiden 95 % der Pferde über 15 Jahren unter Zahnproblemen, die ein gutes Kauen verhindern.
Laut einer Studie der Colorado State University war es bei Pferden über 15 Jahren auch 3,1 mal wahrscheinlicher, dass sie nach einer Schlundverstopfung eine Aspirationspneumonie entwickelten, und diese kann, wie zuvor bereits erwähnt, tödlich sein.
Doch auch junge Pferde sind stark gefährdet. Bei Pferden unter 1 Jahr ist es sogar 4,6 mal wahrscheinlicher, dass sie eine Aspirationspneumonie bekommen.
Wie füttere ich Pferde, die anfällig gegen Schlundverstopfungen sind?
Wissenschaftler haben festgestellt, dass bei Pferden, die schon öfter Schlundverstopfungen hatten, die Gefahr neun Mal größer ist, dass bei ihnen andere Komplikationen wie Aspirationspneumonie oder eine Luftröhrenkontaminierung auftreten.
Die meisten Fälle von Schlundverstopfungen werden mit einer zu schnellen Einnahme von Rau- oder Kraftfutter in Verbindung gebracht.
Also sollte der erste Schritt der Prävention darin bestehen, anfälligere Pferde zu erkennen. Dies wären z. B. ältere Pferde oder Pferde, die ihr Futter ungewöhnlich schnell hinunterschlingen. Danach könnte man einige der folgenden Strategien befolgen, die auf Anraten der Wissenschaftler entwickelt wurden:
Futter einweichen
Um einem zu schnellen Fressen vorzubeugen, weiche Zuckerrübenschnitzel, Heucobs, Pellets oder große Futterwürfel in Wasser ein. Dabei sollten die Anweisungen des Herstellers für die Wassermenge und Dauer des Einweichens vor der Fütterung berücksichtigt werden.
Rau- vor Kraftfutter füttern
Füttere Heu vor Kraftfutter! Dies fördert ein normales „Fresstempo” sowie ein langsameres Kauen.
Verlangsame das Fressen, indem du den Futtereimer „präparierst”
Wissenschaftler der North Carolina State University schlagen vor, dass du glatte Steine in der Größe einer Kartoffel oder Boccia-Kugel in den Futtereimer gibst. Das Team hat zudem festgestellt, dass sich die Fressdauer verlängert, wenn man eine waffelförmige Platte unten in den Futtereimer legt (Kutzner-Mulligan et al., 2013).
Zudem wurde festgestellt, dass auch spezielle Futtereimer das halten, was sie versprechen. Eine Studie der Texas A&M University bestätigte, dass Pferde, die aus Futtereimern, in denen sich unten geformte Tassen befanden, langsamer fraßen und auch weniger Futter rund um den Eimer verstreuten (Carter et al., 2012).
Kleinmaschige Heunetze verwenden
Es wurde festgestellt, dass kleinmaschinge Heunetze nicht nur verhindern, dass Pferde zu große Bissen nehmen, sondern auch die Aggression beim Füttern nimmt ab. Laut Glunk (2014) reduzieren mittelgroße (4,4 cm Maschengröße) und kleine (3,2 cm Maschengröße) Heunetze im Vergleich zu großmaschigen (15,2cm Maschengröße) Netzen die Geschwindigkeit beim Fressen und erhöhen dadurch die Gesamtzeit, die die Pferde beim Fressen verbringen.
Zudem wurde im Schweizer Institut für Technologie festgestellt, dass Pferde, die mit kleinmaschigen Heunetzen gefüttert wurden, weniger aggressiv waren. (TheHorse.com/149434).
Häufigere, kleinere Portionen oder Abgrenzungen bei Gruppenfütterung
Belgische Wissenschaftler haben die Aggression von Pferden bei der Gruppenfütterung untersucht. Dabei haben sie festgestellt, dass Gruppen die sechsmal täglich kleinere Portionen bekamen wesentlich weniger aggressives Verhalten zeigten als Gruppen, die dreimal täglich größere Portionen erhielten.
Eine schweizer Studie belegte zudem, dass auch ein Abstand von 1-1,5 m zwischen den Pferden bei der Fütterung oder eine physische Abgrenzung aggressives Verhalten stark reduzierte.
Eine Fressbremse verwenden
Sie sehen nicht schön aus und vielen Pferdebesitzern tut das Pferd leid, wenn sie eine Fressbremse tragen müssen. Nichts desto trotz sind Fressbremsen effektiv. Sie reduzieren die Futteraufnahme auf der Weide bei Ponys um bis zu 85 % (Longland et al., 2011).
Eine weitere Studie, geführt von Erin Perry, PhD, von der Southern Illinois University in Carbondale befasst sich mit der Verwendung von Fressbremsen, um das Füttern von Pellets zu verlangsamen.
Das Team stoppte die Zeit, die Pferde benötigten, um 5 Pfund Pellets zu fressen, einmal mit und einmal ohne Fressbremse. Das Ergebnis war natürlich, dass die Pferde mit Fressbremsen die Pellets langsamer aufnahmen und auch besser kauten. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass Fressbremsen eine sehr effektive Methode bei Pferden sind, die zu Schlundverstopfungen neigen.
Das Thema Fressbremsen wurde übrigens auch von Dr. Christina Fritz in unserem Pferdegewieher-Podcast besprochen. Hör dir den Podcast gleich an.
Fütterung nach einer Schlundverstopfung
Sollte trotz aller Vorbeugungsmaßnahmen dein Pferd Schlundverstopfungen bekommen, ist es sehr wichtig, es nach der Schlundverstopfung gut zu füttern.
Laut Diana Hassel, DVM, PhD, Dipl. ACVS, ACVECC, von der Colorado State University, sollte die Speiseröhre für einen Zeitraum von 12 Stunden nach der Verstopfung geschont werden. Während dieser Zeit sollte das Pferd in eine Box mit einer Matte gestellt werden und kein Futter erhalten. Wasser sollte es auch nur dann erhalten, wenn sich die Verstopfung vollständig gelöst hat.
Hassel empfiehlt zudem, nach einer Schlundverstopfung entweder sehr wässrige Pellets oder Heucobs zu füttern. Das Futter sollte dabei in einer großen Menge Wasser mindestens eine Stunde lang eingeweicht werden, bis es beinahe flüssig ist. Dieses Futter sollte einige Tage lang gegeben werden und dann sollte die Menge an Wasser zunehmend reduziert werden, bis das Pferd wieder trockenes Futter fressen kann und die Speiseröhre verheilt ist. Dies dauert ca. eine Woche und ist abhängig von der Schwere der Verletzung.
Grobes Futter sollte vermieden werden, bis die Speiseröhre vollständig verheilt ist.
Zusammenfassung
Schlundverstopfungen können durch jegliches Futter oder Fremdkörper auftreten. Schnelle oder aggressive Futteraufnahme ist die häufigste Ursache. Pferde mit höherem Risiko auf Schlundverstopfungen wie alte Pferde mit Zahnproblemen, sollten erkannt und dementsprechend gefüttert werden.
Was bedeutet dies für uns Pferdebesitzer
Da Schlundverstopfungen tödlich enden können, sollten wir auf alle Fälle präventiv tätig werden.
Wie aus den Studien hervorgeht, ist eine gute Zahnbehandlung immer ein wichtiger Ansatzpunkt. Da sich in den letzten 20 Jahren jedoch viel auf diesem Gebiet getan hat, sollte ein richtiger Zahnspezialist, der sich auf dem aktuellsten Wissensstand befindet, herangezogen werden. Weitere Informationen zur Zahnbehandlung beim Pferd findest du in unserem Podcast-Interview mit Tierarzt Jan-Dirk Nitzel, der sich auf Zahnbehandlungen beim Pferd spezialisiert hat.
Um Fressbremsen ranken sich auch viele Mythen. Wissenschaftlich belegt ist nun jedoch, dass sie eine gute Präventivmaßnahme gegen Schlundverstopfungen sind. Nicht jedes Pferd wird eine Fressbremse benötigen, aber wenn du eines der Risikopferde aus diesem Artikel in deinem wiedererkennst, wäre eine Fressbremse vielleicht eine Lösung.
Achte in deinem Stall auch darauf, wie gefüttert wird. Viele Risikofaktoren lassen sich, wie aus diesen Studien ersichtlich, bereits durch optimierte Fütterung beseitigen.
Wichtig ist jedoch immer, einen Tierarzt zu rufen. Auch wenn sich die Verstopfung schnell löst, könnten Folgeschäden an der Speiseröhre aufgetreten sein. Also lieber einmal zu oft anrufen, als ein unnötiges Risiko eingehen.
Was war eigentlich mit unserer Stute los? Gute Frage, alle oben erwähnten Risikofaktoren waren nicht gegeben. Wir füttern mehrmals am Tag kleinere Portionen, die Gruppe ist bei der Fütterung geteilt, die Stute frisst nicht übermäßig schnell oder gierig. Bei den Zahnkontrolle wurden eine kleine Hakenbildung und ein paar scharfe Kanten festgestellt und behandelt. Wir hoffen, dass wir damit die Ursache für die Schlundverstopfungen behoben haben