Wissenschaftler aus Großbritannien haben gesundheitliche Probleme für sowohl des gesamten Pferdebestand wie auch einzelne Pferde analysiert und der Wichtigkeit nach klassifiziert. Die Ergebnisse der Studie sind ein wenig überraschend.
Sehr viele gesundheitliche Probleme
In der Pferdewelt bestehen über 80 ernsthafte Gesundheitsprobleme. Jedes davon wird als höchste Priorität angesehen. Doch welche sind wirklich die wichtigsten bzw. bedrohlichsten?
Wissenschaftler aus Großbritannien haben es sich zum Ziel gesetzt, die gesundheitlichen Probleme zu klassifizieren und sie der Reihe nach zu ordnen. Dafür wandten sie das sogenannte Delphi-Verfahren an. Dabei handelt es sich um ein mehrstufiges Befragungsverfahren mit anschließender Rückkoppelung, um daraus zukünftige Entwicklungen möglichst gut einschätzen zu können.
Wenn die Prioritäten festgelegt sind, können Wissenschaftler oder auch Wohltätigkeitsorganisiationen ihre Bemühung in geordnetere Bahnen lenken.
„Es kann für Akademiker, Wohltätigkeitsorganisationen und Forschungförderer überwältigend sein, darüber zu entscheiden, wo sie ihre Bemühungen fokussieren sollten, um den größtmöglichen Einfluss auf die Pferdegesundheit zu haben“, sagte Cathy Dwyer, PhD, von der Royal (Dick) School of Veterinary Studies der Universität Edinburgh. „Priorisierung kann ihnen helfen, Strategien zur Bekämpfung verschiedener Probleme zu verfeinern.“
Der Ablauf der Studie
Die Studie wurde in zwei Listen aufgeteilt
- Probleme, die den gesamten Pferdebestand betreffen, und
- Probleme, die das größte Leid für individuelle Pferde verursachen.
Dazu befragten Dwyer und ihre Kollegen zunächst 19 Experten für Pferdegesundheit. Diese erstellten eine Liste mit insgesamt 84 gesundheitlichen Problemen. Nun kam das Delphi-Verfahren ins Spiel, um diese Probleme ihrer Wichtigkeit nach zu ordnen.
Die Top 5
Platz 1: mangelnder Schutz vor Krankheiten und mangelnde Krankheitsüberwachung
Platz 2: zu spätes Einschläfern
Platz 3: mangelndes Verständnis der Besitzer bezüglich der Bedürfnisse für das Wohlergehen der Pferde
Platz 4: Angst/Stress/Frust durch die Verwendung der Pferde in Arbeit, Sport und Freizeit
Platz 5: Übergewicht (siehe dazu unseren Artikel über die Verbreitung von Übergewicht: https://pferdegewieher.com/uebergewicht-eine-epidemie)
Das zu späte Einschläfern war auf Platz 1 der Liste für individuelle Pferde. Andere Probleme umfassten das Nichterkennen von Schmerzen, Parasitenbefälle, Übergewicht und nicht-artgerechte Fütterung.
Fazit der Wissenschaftler
In vergangenen Jahrzehnten wurden z. B. der Transport, stereotypes Verhalten (z. B. Weben) und mangelnde tierärztliche Pflege als größte Probleme angesehen.
Laut Dwyer rückt aufgrund dieser neuen Erkenntnisse die Bildung von Pferdebesitzern wie auch eine fundierte Pferde- und Verhaltenswissenschaft in den Vordergrund.
„Ich frage mich, ob die Besitzer überrascht sind, dass so viele Probleme mit ihnen – ihrem Verhalten und Wissen - zusammenhängen und nicht so sehr mit krankheitsbedingten Problemen. Ich glaube, dass dies in der Pferdewissenschaft ein immer größer werdendes Problem darstellt – dass viele unserer allgemein anerkannten Praktiken aus Traditionen entstanden sind und nur wenig wissenschaftlichen Rückhalt haben. Dies umfasst Trainingsmethoden, das Management der Pferde, das Verständnis des Pferdeverhaltens usw.“, so Dwyer.
In den Top 10 der Liste des gesamten Pferdebestands fanden sich auch etliche Punkte, die mit dem Pferdebesitzer in Zusammenhang gebracht werden konnten. Das waren u. a. unangemessene Aufzucht, labile Herden und unsachgemäß angelegtes Zaumzeug.
Wenn es zu den individuellen Problemen kommt, waren das Nichtermöglichen von normalem Sozialverhalten, Überarbeitung und übergewichtige Reiter in den Top 10.
Die Verantwortlichkeiten der Pferdebesitzer
Viele der Probleme, die aus der Studie hervorgingen, sind auf den Pferdebesitzer zurückzuführen. Dwyer führt dies hauptsächlich auf den Wissenstand der Besitzer und auf alte, nicht mehr zeitgemäße Traditionen zurück. Man macht Dinge halt so, weil man es immer schon so gemacht hat.
Die Wissenschaftler traten auch dafür ein, dass Pferdebesitzer hinsichtlich v. a. des Verhaltens von Pferden geschult werden sollten. Dies würde auch zu einer besseren Beziehung zwischen Mensch und Pferd führen.
Das zu späte Einschläfern ist sicherlich ein äußerst schwieriges Thema. Niemand will seinem Pferd Qualen bereiten, doch wann ist der richtige Zeitpunkt? Hier ist eine gute und v. a. auch sachliche Kommunikation mit dem Tierarzt ein guter Schritt zur Vermeidung dieses Problems.
Hier findest du die Studie: https://www.mdpi.com/2076-2615/10/4/647/htm