Gebisslos Reiten wird immer beliebter und gilt oft als „pferdefreundlicher“. Aber ist das tatsächlich so?
Eine aktuelle, im Journal of Veterinary Behavior veröffentlichte Studie hat untersucht, welchen Druck zwei gebisslose Zäumungen und eine Zäumung mit Gebiss auf den Kopf des Pferdes ausüben. Das Ergebnis war interessant und zeigt, dass man eigentlich nicht darüber diskutieren sollte, welche Art der Zäumung pferdefreundlicher ist, sondern eher darüber, welchen Einfluss die Reiterhand auf den Kopf des Pferdes hat, sei es über ein Gebiss oder über einen Nasenriemen.
Die Studie
Für die Studie wurden fünf Pferde jeweils mit Gebiss und Nasenriemen und mit zwei verschiedenen gebisslosen Zäumungen geritten. Bei den gebisslosen Zäumungen handelte es sich um ein Sidepull und ein Cross Under Bitless Bridle, das auch unter dem Namen Crossover bekannt ist, und das über zwei sich kreuzende Kehlriemen verfügt. Die Pferde wurden an drei verschiedenen Tagen mit jeweils einer der Zäumung geritten. Dabei wurde der Druck auf den Nasenriemen gemessen.
Die Ergebnisse der Studie
Die Wissenschaftler stellten fest, dass das Sidepull den größten Druck auf die Nase der Pferde ausübte. An zweiter Stelle folgte das Cross Under Bitless Bridle und an dritter die Zäumung mit Gebiss.
Der Druck, den das Sidepull ausübte, war so hoch, dass die Wissenschaftler der Meinung sind, dass er zu Gewebeschäden führen kann, wenn er über einen längeren Zeitraum ausgeübt wird. Als Ursache für diesen hohen Druck wird die Tatsache angegeben, dass die Zügel direkt am Nasenriemen des Sidepulls befestigt sind, wodurch sich der Druck auf die Auflagefläche des Nasenriemens konzentriert und nicht gleichmäßiger über den gesamten Kopf verteilt wird.
Beim Druck, den das Genickstück auf den Pferdekopf verursacht, gab es keine Unterschiede zwischen den drei Zäumungen.
Die Wissenschaftler stellten auch fest, dass bei der Verwendung des Cross Under Bitless Bridles, das Karpalgelenk weniger gebeugt wurde und der Winkel zwischen Kopf und Hals größer war. Diese Unterschiede sollen auf einen weggedrückten Rücken und eine geringere Leistungsbereitschaft der Pferde zurückzuführen sein – verursacht durch den Druck, den die gekreuzten Kehlriemen auf den Unterkiefer der Pferde ausüben.
Was bedeuten diese Ergebnisse für Reiter?
Laut der Studie ist der erhöhte Druck auf den Kopf des Pferdes darauf zurückzuführen, dass das Gebiss entfernt wurde. Die Wissenschaftler sind der Meinung, dass dieser Druck möglicherweise Schäden im Gesicht des Pferdes verursachen kann und dass man aufgrund dieser Erkenntnisse die Verwendung gebissloser Zäumungen gut abwägen soll.
Wir hier bei Pferdegewieher sehen die Sache ein bisschen anders. Es scheint sich bei der Druckverteilung auf die Nase des Pferdes nur um eine Verlagerung des Problems zu handeln. Statt massiven Druck auf das Maul des Pferdes auszuüben, wird dieser mit einer gebisslosen Zäumung auf die Nase ausgeübt. Die Frage sollte aber nicht lauten: wo schadet der Druck weniger, sondern wie kann ich als Reiter dafür sorgen, dass gar kein starker Druck ausgeübt wird – egal ob man mit Gebiss oder ohne reitet. Denn egal welche Art der Zäumung man verwendet, wie stark diese auf das Pferd einwirkt und welche Schmerzen sie möglicherweise verursacht, liegt im wahrsten Sinne des Wortes in den Händen des Reiters.
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Folge 71 – Gebisslos reiten mit Karolin Köhler
Folge 99 – Hände sprechen Bände mit Frauke Behrens und Angelika Engberg
Hier findest du die Studie: https://doi.org/10.1016/j.jveb.2021.05.002